Jörg Danielczyk:
„Ich bin Porzelliner!“

  • Wenn Jörg Danielcyzk von seinem Lebensweg und der Zeit in der Manufaktur erzählt, hört man staunend zu und weiß sofort: Er ist „Porzelliner“ durch und durch. Im September 1969 beginnt er seine Ausbildung in der Manufaktur und verlässt seinen Arbeitsplatz erst 48 Jahre später. Er ist ein Künstler, der dem ersten Modellmeister der Manufaktur Johann Joachim Kaendler und dem von ihm etablierten Renommee würdig nachfolgt. Jörg Danielczyk hat maßgeblich die plastische Sprache Meissens geprägt und mit seinen Werken neue Dimensionen der Porzellankunst erschlossen.

    1952 kommt Jörg Danielczyk in Mittelsachsen zur Welt. Über der kleinen Gemeinde Wechselburg thront das Benediktinerkloster, im Tal fließt die Zwickauer Mulde – Danielczyk bestaunt die friedvolle Landschaft und malt bereits als Kind Tag um Tag. Nachdem sein Vater 1960 stirbt, wächst er zwischen seiner Mutter, Großmutter und Tanten auf, die manchmal beinahe verzweifeln, weil der Nachwuchs an der Schule nicht viel Interesse zeigt. Doch weil sich in seinen Mappen gezeichnete Bienen, Bäume, Blumen und Fantasiegestalten stapeln, muss der Junge wohl ein Talent besitzen. „Als ich mit meinem Schulabschluss-Zeugnis nach Hause kam, saßen wir bei Großmutter am Tisch und die Frauen berieten, was aus mir werden sollte.“, sagt er. Jörg Danielczyk möchte Porzellanmaler werden.

    Eigentlich sind die Eignungstests für Lehrlinge schon vorbei, aber der Junge steht nun einmal vor der Tür und wird auch von der Künstlerin Lea Grundig empfohlen. Daher prüft der Plastiker der Abteilung für Künstlerische Entwicklung, Peter Strang, das junge Talent und nimmt es auf. Zunächst besucht Danielczyk die Zeichenschule. Das Zeichnen und die Farben bereiten ihm große Freude, doch nicht seiner Lunge. Ton und Porzellanmasse sind hingegen kein Problem, also lernt und arbeitet der heute 70-jährige nach seiner Lehre als Bossierer. Eine werdende Blumenmalerin der Manufaktur gefällt ihm damals ganz besonders – ihr Name ist Uta und nur wenige Jahre später heiraten die Manufakturisten. Uta Danielczyk arbeitet noch heute in der Schauwerkstatt der Manufaktur. Einige sagen, dass Ehen von Mitarbeitern zur damaligen Zeit zur Manufaktur gehörten wie der leichte Geruch nach Terpentin auf den Malerei-Gängen.



„Die Manufaktur verdankt Jörg Danielczyk nicht nur großartige Kunstwerke. Mit seinem Namen verbinden Sammler auf aller Welt fesselnde Schönheit und höchste Filigranität, verewigt in strahlendem Meissener Porzellan.“

  • 1978 habe, so erzählt Jörg Danielczyk, der Meister der Modellherstellung gefragt, wer ein Pferd modellieren möchte. Der Blick des Meisters trifft ihn und so modelliert er ein Pferd. Doch nicht irgendein Tier, sondern Halla, eine Hessenstute, die zusammen mit Hans Günter Winkler mehrmals Gold bei den Olympischen Sommerspielen gewinnt. Das Pferd in Ton gelingt ihm ausgezeichnet und Peter Strang wird erneut auf ihn aufmerksam. Peter Strang ist in jener Zeit einer der wichtigsten Künstler der Manufaktur, der gemeinsam mit dem Maler Heinz Werner und dem Gestalter Ludwig Zepner 1960 das „Kollektiv Künstlerische Entwicklung“ gegründet hatte. Jörg Danielczyk darf in die Strang-Lehre, lernt hinzu, arbeitet hart und wird eines Tages von seinem Meister zum Abendstudium an die Kunsthochschule geschickt. 1983 schließt Jörg Danielczyk sein Studium als Plastiker ab und wird der neue künstlerische Leiter der Manufaktur. 1985 schickt die Manufaktur ihn schließlich nochmals zum Studium, diesmal nach Halle an die Burg Giebichenstein, wo er 1989 das Diplom als Formgestalter bekommt.

    Nie wird Jörg Danielczyk müde, die Eigenheiten von Porzellan zu erklären. Geradezu ehrfürchtig vor diesem besonderen Werkstoff weiß er Grenzen und Möglichkeiten auszuloten und dabei immer wieder in neue Sphären vorzudringen. Die Manufaktur verdankt Jörg Danielczyk nicht nur großartige Kunstwerke. Mit seinem Namen verbinden Sammler auf aller Welt fesselnde Schönheit und höchste Filigranität, verewigt in strahlendem Meissener Porzellan. Höhepunkte seiner Arbeit gibt es zahlreiche: 1998 produziert MEISSEN für Karl Lagerfeld hauchdünne Pailletten und Knöpfe aus Porzellan. Ein Kleid, besetzt mit tausenden Meissener Pailetten entsteht und als es bei einer der Haute-Couture-Modeschauen präsentiert wird, sitzt Jörg Danielczyk dabei. Sein Weißkopfseeadler, einen Meter hoch und 40 Kilogramm schwer, steht seit 2008 im Foyer der Botschaft der Vereinigten Staaten in Berlin, ein Auftragswerk des damaligen Botschafters William Timken. „Saxonia“, die größte freistehende Figur aus Hartporzellan, an deren Tonmodel Danielczky über ein halbes Jahr arbeitetet, wurde 2014 enthüllt. Das scheinbar Unmögliche wagen und neue Grenzen austesten, inspiriert von der Schönheit des Lebens – das ist das Motto, das Danielczyk sein Leben lang begleitet.